Struwwelpeter der Jüngere
 

Das Thema Struwwelpeter hatten wir schon einmal. Diesmal geht es um eine Version, die 1891 erschien, also viele Jahre nach dem Ur-Struwwelpeter von 1844. Der Zusatz „der Jüngere“ bezieht sich aber wohl nicht auf das Erscheinungsdatum, sondern um die zu Erziehenden, denn im Buch von Johannes Trojan geht es um deutlich jüngere Kinder.

Trojan war Redakteur des Satire-Magazins „Kladderadatsch“, der hier im Buch sein Talent zum Humor erkennen lässt. Die hochklassigen Zeichnungen dazu schuf Fedor Flinzer.

Der Grund, warum dieses sehr humorvolle Buch hier vorgestellt wird, ist daß es stellenweise als „Der Kolonial-Struwwelpeter“ bezeichnet wird. Diese Bezeichnung hat mich darauf aufmerksam gemacht. Allerdings ist die Einordnung eher fragwürdig, denn auch wenn die Ausgabe zur Kolonialzeit erschien, so findet sich im Inhalt praktisch kein Kolonialbezug. Nur in einer Geschichte kommt der Schmutzfink Hermann zur Erziehung nach Kamerun, wo ihm Essensmanieren beigebracht werden sollen. Man denkt an eine Art „Boot-Camp“ für Schwererziehbare…

Die erste Auflage des Buches von 1891 erschien in ausgestanzter Form, die zweite um 1894 dann einfacher, ohne Stanzung mit angepasstem Titelbild. Beide Ausgaben sind heute selten und wegen der vielen Kinderbuchsammler auch recht teuer.

Dankenswerterweise gibt es die deutsche Digitale Bibliothek, wo das Buch online verfügbar ist. Auch die Bilder hier stammen aus der Online-Ressource. Ordnungsgemäß erfolgt unten die Quellenangabe.

Erste Auflage

Zweite Auflage

 

 

 

Vom unmanierlichen Hermann

Hermann, sei doch nur manierlich! Sieh einmal, wie Gretchen zierlich
Essen kann, die noch dazu
Ein Jahr jünger ist als du."
So Mama zum Hermann spricht,
Aber leider hilft es nicht.
O, wie sieht er wieder aus!
Ist es nicht ein rechter Graus?
Kann es wohl noch einem schmecken,
Der ihn ansieht? Voller Flecken
ist das Tischtuch, die Serviette,
die er umhat, starrt von Fette.
Auf den Boden streut er Brocken.
Gleich als wollt' er Hühner locken,
Und bemalt hat greulich bunt
er um Nase sich und Mund,
Aehnlich wie ein wilder Mann.
Seinen Händen sieht man's an,
daß er manchmal statt der Gabel
mit dem Fleisch sie führt zum Schnabel.
Keinen Tag beim Mittagessen
wird das Mahnenswort vergessen.
„Hermann, hübsch manierlich iß,
Schlecht ergeht's dir sonst gewiß!“
Aber er in alter Weise
Malt sich voll mit jeder Speise.

Eines Tags—was soll man thun? —
Schickt man ihn nach Kamerun.
In dem fernen Afrika
Sitzt er jetzt bekümmert da.
Mit den schwarzen Negerknaben,
Die es auch noch nötig haben,
Lernt er dort beim Essen fein,
Sauber und bescheiden sein.
Wisset nun, daß dort er bleibt.
Bis der strenge Lehrer schreibt
wohl auf einem Palmenblatt,
daß er sich gebessert hat
Und Manier hat angenommen;
Dann erst darf er wiederkommen.

 

Quelle: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg CARL VON OSSIETZKY
PURL: https://resolver.sub.uni-hamburg.de/kitodo/PPN1041104863
(CC BY-SA 4.0 [https://creativecommons.org/licences/by-sa/4.0/deed.de])

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